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Von links: Ministerialdirigent Rudolf Escheu (Abteilung Tourismus im Wirtschaftsministerium), Christine Singer, Bezirksbäuerin von Oberbayern für den BBV, Fraktionsvorsitzender Florian Streibl sowie Richard Mergner, Landesvorstand beim BUND Naturschutz.
Florian StreiblFlorian Streibl
29.07.2020

Aktionsbündnis ländlicher Raum: FREIE WÄHLER, Bayerischer Bauernverband und BUND Naturschutz werben gemeinsam um Respekt für Natur, Landschaft, Landwirtschaft und Gäste

Streibl: Auch vor der eigenen Haustür gibt es viel zu entdecken

München. Ob Mountainbike, Bergwandern, baden oder klettern: Am Wochenende verwandeln sich viele Gemeinden im bayerischen Voralpenland in Austragungsorte für Freizeitsport. Das kurbelt die Ausflugsbranche vor Ort an, stellt für Anwohner, Natur und Landwirtschaft aber auch eine große Belastung dar. Bei einem Runden Tisch im Rahmen des Aktionsbündnisses ländlicher Raum haben auf Einladung der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion der BUND Naturschutz sowie der Bayerische Bauernverband (BBV) mit dem Fraktionsvorsitzenden Florian Streibl über die Folgen des hohen Freizeitdrucks sowie Lenkungsmöglichkeiten und touristische Nutzungskonzepte diskutiert.

„Seit einigen Jahren beobachten wir einen zunehmenden Run auf die Berge“, erklärt Streibl, der als Abgeordneter im Kreis Garmisch-Partenkirchen die Begebenheiten vor Ort gut kennt. Er freue sich, dass der unvergleichlichen Alpenlandschaft so viel Wertschätzung entgegengebracht werde. „Doch immer mehr Besucher betrachten die Berge als gigantische Spielwiese, deren Flora und Fauna nur mehr als hübsche Staffage dient.“ Doch achtlos weggeworfener Müll, zertrampelte Weideflächen, Lärm und unberechtigtes Parken beeinträchtigten die Umwelt erheblich.

„Unsere Landwirte klagen über Fahrzeuge, die landwirtschaftliche Wege und Flächen zuparken“, wirbt Christine Singer, Bezirksbäuerin von Oberbayern für den BBV, um Verständnis. Arbeiten, die gerade bei schönem Wetter unter hohem Zeitdruck abgeschlossen werden müssten, würden durch Wildparker behindert oder gar verhindert. „Gerade in unserer Region mit kleinstrukturierter Landwirtschaft und den vielen Nebenerwerbsbetrieben müssen zahlreiche Arbeiten auf den Feldern in Zeiten mit trockenem Wetter verrichtet werden – also dann, wenn auch viel touristischer Verkehr herrscht. Auch Müll auf landwirtschaftlichen Flächen, die der Erzeugung von hochwertigen Lebens- und Futtermitteln dienen, macht unseren Bauern zu schaffen“, so Singer. Ein weiteres Ärgernis: der unangemessene Umgang mit Weidetieren. „Wenn auf Sozialen Medien – wie zuletzt auf ‚TikTok‘ – zum Kühe erschrecken aufgerufen wird, ist das nicht nur respektlose Tierquälerei, sondern auch lebensgefährlich“, so Christine Singer.

Sorgen bereiten dem BBV und dem BUND Naturschutz auch, dass immer mehr Bergtouristen die ausgeschilderten Wege verlassen. So gerate die störungsempfindliche Flora und Fauna der Alpenlandschaft zunehmend unter Druck. „Das unerlaubte Betreten von Weide- und Waldflächen bleibt nicht ohne Folgen: Die in alpinen Lagen nur langsam wachsenden Wildblumen und Kräuter werden zerstört, die Bodenerosion beschleunigt und Weide- als auch Wildtiere verängstigt“, erklärt Richard Mergner, Landesvorstand beim BUND Naturschutz.

BBV, BUND Naturschutz und FREIE WÄHLER sind sich deshalb einig, dass der Freistaat gegensteuern muss – auch mit mehr Aufklärung. „Viele Besucher wissen gar nicht, welchen Schaden sie anrichten und in welche Gefahr sie sich selbst bringen können, wenn sie die Empfehlungen und Gebote der örtlichen Besucherlenkung nicht befolgen“, so Mergner. Notwendig sei aber auch, mit neuen Konzepten zu einer Entzerrung der Touristenströme beizutragen. „Es gilt viele Urlaubs- und Ausflugsziele abseits der Hotspots, die einen Besuch wert sind. Auch vor der eigenen Haustür gibt es viel zu entdecken“, betont Streibl. Diese Ziele müssten besser vermarktet werden, um Natur und Umwelt in den touristischen Hotspots zu entlasten. Dann könne der gesamte ländliche Raum im Freistaat von der Wertschöpfung durch Touristen und Ausflüglern profitieren.

Zudem müsse die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln attraktiver werden. „Besonders in den Alpenregionen hat der Individualverkehr in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, so Streibl weiter. Die Folgen seien für Touristen, Anwohner und Kommunen gleichermaßen belastend: Autokolonnen, die sich durch die engen Alpentäler und idyllischen Bergdörfer schieben, überfüllte Wanderparkplätze, Straßenschäden sowie Emissionen von Lärm, Luftschadstoffen und klimarelevanten Gasen. „Gerade in ökologisch empfindlichen und touristisch stark frequentierten Gebieten braucht es deshalb emissionsarme Verkehrsmittel sowie Lenkungsmaßnahmen.“

Singer, Mergner und Streibl stimmen überein: Die Ausweisung von vorrübergehenden Parkplätzen durch die Kommunen auf abgemähten Wiesen nach Absprache mit den örtlichen Landwirten dürfe nur eine kurzfristige Notfallmaßnahme bleiben. Vielmehr müsse der Freistaat den öffentlichen Verkehr in der Breite massiv ausbauen. „Auf lange Sicht muss es Besuchern möglich sein, mit einem einzigen Ticket von Zuhause aus mit dem Bus zum Bahnhof und mit dem Zug zur Bergbahn bis hinauf auf die Gipfel der Mittelgebirge und Alpen zu gelangen“, wünscht sich Streibl. Wichtig in allen Regionen sei außerdem, mehr Besucher zu mehrtägigen Aufenthalten zu animieren, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren.

Konkret verständigt haben sich die Teilnehmer des Runden Tisches auf folgende Zielsetzungen:

  • Nachhaltig mobil: Die öffentlichen Verkehrsverbindungen zwischen Ballungszentren und ländlichen Räumen mit leistungsfähiger Infrastruktur und attraktiven Angeboten für Naherholung und Tourismus intensiv ausbauen, um den ländlichen Raum zu stärken.
  • Gegenseitiges Verständnis und Respekt: Mehr Alltagskompetenzen über Schule und Informationskampagnen vermitteln. Wegegebote in Gegenden mit störungsempfindlicher Flora und Fauna achten.
  • Heimat kennenlernen: Offene, anbieterunabhängige digitale Informationsangebote für Attraktionen, Naturschönheiten, bedeutende Denkmäler und historische Bauten bayernweit aufbauen, um die unzähligen Kleinode im ganzen Freistaat und vor der eigenen Haustür bekannt zu machen.
  • Lebensqualität vor Ort: Durch gezielte Stadt- und Ortsplanung auch in Ballungsräumen ausreichend Lebensqualität für die Menschen schaffen.
  • Konzentrationen vermeiden: In der überregionalen Darstellung Bayerns lenkende Impulse setzen. „Urlaub mit dem Blauen Gockel“ (Urlaub auf dem Bauernhof) bietet in ganz Bayern die Möglichkeit, die Schönheit der bayerischen Landschaft zu genießen und wertvolle Einblicke in die Landwirtschaft zu erhalten.

Bereits seit Längerem setzen sich die FREIEN WÄHLER im Bayerischen Landtag dafür ein, die Verständigung zwischen der urbanen und der ländlichen Bevölkerung zu verbessern und für die Bedürfnisse der strukturschwächeren Regionen Bayerns zu werben. Dazu wurde im vergangenen Jahr auch das Aktionsbündnis „Ländlicher Raum“ gegründet. Die Ergebnisse des Runden Tisches will die Landtagsfraktion noch bis zum Ende der Sommerpause in parlamentarische Initiativen gießen.

 


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