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07.11.2019

Fachgespräch "Brexit - wie geht's weiter?" im Bayerischen Landtag

Streibl: „Kommt zur Vernunft und bleibt in der Europäischen Union“

München. Das Brexit-Drama will nicht enden – nächster voraussichtlicher Termin für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist der 31. Januar 2020. Über die damit verbundenen Risiken für Bayerns Wirtschaft diskutierten die FREIEN WÄHLER am Mittwochabend mit Experten aus Wirtschaft und Verbänden beim Fachgespräch „Brexit – wie geht‘s weiter“.

Der Fraktionsvorsitzende der FREIEN WÄHLER Florian Streibl äußerte, der Brexit sende ein fatales Signal an Europa: „Die Nationalstaaten Europas brauchen eine Klammer, die sie zusammenhält – das ist die zentrale Erkenntnis aus zwei furchtbaren Kriegen im vergangenen Jahrhundert. Eine Erkenntnis, die glücklicherweise in die Gründung der Europäischen Union mündete und auch das ‚Nie wieder Krieg‘ begründete. Genau dieses ‚Nie wieder‘ wird durch den Brexit infrage gestellt – obwohl nur eine hauchdünne Mehrheit von 51,9 Prozent der Bürger Britanniens für den Austritt stimmten. An sie ist mein Appell gerichtet: Kommt zur Vernunft und bleibt bei uns.“
 
„Der Brexit wirkt sich bereits heute negativ auf unsere Wirtschaft aus. Allein im vergangenen Jahr haben wir Geschäfte im Wert von rund acht Milliarden Euro verloren“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert. Weigert riet, sich nun auf Schadensbegrenzung zu konzentrieren. Doch selbst unter voller Ausnutzung einer verlängerten Übergangsfrist bis Ende 2022 sei fraglich, ob in diesem Zeitraum ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Großbritannien erzielt werden könne. „Denn gewöhnlich dauert die Erarbeitung eines solchen Abkommens rund fünf Jahre“, erklärte Weigert.
 
BMW sei das vom Brexit am stärksten betroffene Unternehmen in Bayern, weil der Autobauer in Großbritannien vier Produktionsstätten unterhalte und die Lieferketten durch den Eurotunnel ins EU-Gebiet führten, so Dr. Barbara Richter, von der Konzernplanung und Konzernstrategie der BMW Group, die die Vorbereitung des Unternehmens auf den Brexit leitet. Sobald die täglich 150 Lkw-Ladungen, die durch diesen Tunnel fahren, auch nur wenige Minuten vom Zoll kontrolliert werden müssten, bilde sich ein Rückstau von gewaltiger Länge, so Richter. In Großbritannien arbeitende Mitarbeiter müssten neue Aufenthaltsgenehmigungen beantragen und litten unter einem möglicherweise weiter sinkenden Pfund. Das senke ihre Kaufkraft in Deutschland – und damit wiederum die Attraktivität der BMW-Arbeitsplätze in Großbritannien.
 
Frank Dollendorf, Bereichsleiter International, Industrie, Innovation und Außenwirtschaft der IHK München/Oberbayern, verbreitete Zuversicht: „IHK“ sei gleichbedeutend mit dem Motto „Ideen haben Kraft“. Deshalb stelle die Kammer ihren Mitgliedsunternehmen zahlreiche Leitfäden und weitere wertvolle Handreichungen zur Verfügung, um die von Weigert empfohlene Schadensbegrenzung umzusetzen. Die harte Realität sei jedoch, dass ein ungeregelter Brexit Bayern rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr koste. Und selbst mit Abkommen belaufe sich der volkswirtschaftliche Verlust immer noch auf jährlich rund 500 Millionen Euro. Die Wirtschaftsattraktivität leide zweifelsohne auf beiden Seiten – besonders kleine Unternehmen würden mit den Brexit-Folgen schwer zu kämpfen haben.
 
60 bis 70 Prozent der deutschen Exporte gingen in den EU-Binnenmarkt. Er dürfe auf keinen Fall zerstört werden, sagte ein Vertreter des Bayerischen Wirtschaftsministeriums. Ein harter Brexit sei noch lange nicht ausgestanden. Dieser könne auch dann noch eintreten, wenn bis Ende 2022 kein Anschlussabkommen mit der EU ausgehandelt worden sei. Selbst ein tiefgreifendes Freihandelsabkommen sei jedoch meilenweit von den Vorteilen des jetzigen EU-Binnenmarktes entfernt. Letztlich blieben selbst in einem solchen „optimalen“ Szenario EU-Zollaußengrenzen, die erhebliche Bürokratie nach sich zögen.
 
Moderator Tobias Gotthardt, europapolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion und Vorsitzender des Europaausschusses im Bayerischen Landtag, berichtete über seine Gespräche mit britischen EU-Parlamentariern und Freunden aus Großbritannien. „Denen ist die Verunsicherung über die Brexit-Endlosdebatte  deutlich anzumerken. Dabei fußt die Idee des Brexits auf nichts anderem als einem Haufen dreister Lügen.“ Gotthardt zitierte den scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker: „Der hat einmal gesagt, der Brexit sei die größte Zeitverschwendung seines Lebens gewesen. Ich finde, Juncker hat recht!“

Hinweis: Eine Fotostrecke der Veranstaltung finden Sie HIER.


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