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Das Foto zeigt (von links): MdL Eva Gottstein; Kreis- und Bezirksrat Alexander Hold; Astrid Giesen, Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Landesverbands e. V.; Veronika Ertl vom Evangelischen Kita-Verband; Fraktionschef Hubert Aiwanger und Dr. Martin Lang, Landesverbandsvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V.
29.04.2018

Familienpolitischer Empfang der FREIEN WÄHLER

Gottstein: Geburtshilfe, medizinische Versorgung und Kinderbetreuung stärken

München. Hebammenmangel, überforderte Kinderärzte, zu wenig Kitaplätze: Eine Familie zu gründen wird für viele Menschen immer mehr zur Herausforderung. Und das im reichen Freistaat! Dabei darf es nicht bleiben, forderten die FREIEN WÄHLER bei ihrem familienpolitischen Empfang am Freitag im Bayerischen Landtag.

„Bayerns Wirtschaft ist Gottseidank stark und weltweit erfolgreich, die Familienpolitik hat jedoch leider nicht den Stellenwert, der nötig ist. Wir müssen uns mehr mit der Frage beschäftigen, wie künftige Generationen aufgezogen werden sollen, gerade auch wenn beide Eltern in die Arbeit gehen“, so Fraktionschef Hubert Aiwanger zum Auftakt der Veranstaltung. Wichtige Berufe wie Hebamme, Erzieherin, Kinderarzt und auch Altenpfleger benötigten mehr Wertschätzung, sagte Aiwanger: „Wenn Ministerpräsident Söder sagt, er wolle Bayern zum Raumfahrtstandort machen,  dann vermisse ich bessere Unterstützung der Familien – von der Hebamme bis zur kostenfreien Kinderbetreuung – wofür das Steuergeld sinnvoller eingesetzt werden  könnte. Wir FREIEN WÄHLER wollen heute über die echten Probleme der Menschen im Freistaat diskutieren.“

Mit dem geplanten Bayerischen Familiengeld packe Ministerpräsident Söder nicht die wirklich drängenden Probleme der Familien an, so auch die Kritik der frauenpolitischen Fraktionssprecherin Eva Gottstein: „Söder schafft keinen Haftungsfreistellungsfonds für Hebammen – damit sich der Hebammenjob finanziell wieder lohnt. Söder schafft auch keine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Weil die Kita-Öffnungszeiten nicht ausreichen, weil zu wenig preiswerter Wohnraum zur Verfügung steht – und weil es inzwischen selbst an Kinderärzten mangelt. Wir freuen uns alle über die aktuell steigenden Geburtenzahlen. Die daraus resultierenden finanziellen ‚Folgen‘ müssen dann jedoch auch von der Gesellschaft getragen werden.“

Alexander Hold, Kreis- und Bezirksrat der FREIEN WÄHLER in Schwaben, sagte in der anschließenden Diskussion, die zum Teil erheblichen Versorgungslücken resultierten offenbar vor allem aus einer falschen Planung: „So lobenswert die Hochspezialisierung von Kinderärzten – etwa im Umfeld von Universitätskliniken – ist, so sehr fehlen genau diese Mediziner in der Fläche Bayerns. Sie fehlen bei Vorsorgeuntersuchungen ebenso wie beim einfachen Zeckenbiss.“ Viele Ärzte siedelten sich verständlicherweise eher im Nahfeld großer Gesundheitszentren an – das könne jedoch nicht Ziel einer durchdachten und dem Allgemeinwohl verpflichteten Gesundheitspolitik sein, so Hold.

Astrid Giesen, Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Landesverbands e. V., betonte, unregelmäßige Arbeitszeiten, Stress und vor allem die äußerst strapaziöse Betreuung mehrerer werdender Mütter gleichzeitig machten Hebammen zu schaffen. Wenn dann noch die Prämien für Haftpflichtversicherungen freiberuflicher Geburtshelferinnen ins Unbezahlbare stiegen, müssten viele ihren Beruf schweren Herzens aufgeben. Um Abhilfe zu schaffen, forderte Giesen familienfreundlichere Teilzeitmodelle, eine stärkere Förderung der interventionsarmen Geburt, Unterstützung für Hebammen, die aus der Elternzeit heraus in den Kreißsaal zurückkehrten, und die Entlastung von arbeitsfremden Leistungen wie etwa Putz- und Schreibdiensten. Hebammen benötigten von der Landespolitik „keine Pflaster, sondern mehr Wertschätzung der Gesellschaft“.

30 Prozent mehr Geburten in den vergangenen drei Jahren: Auf diesen erfreulichen Trend habe die Landespolitik nicht mit der Bereitstellung ausreichend vieler Kinderärzte reagiert, kritisierte der Landesverbandsvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V., Dr. Martin Lang. Heute werde doppelt so oft geimpft wie noch in den 1980er Jahren – was zweifelsohne ebenso sinnvoll sei wie das Angebot zusätzlicher Vorsorgeleistungen für Kinder im Schulalter. Die aber habe es früher so nicht gegeben. Ein Drittel der Vorstellungsanlässe bei Kinder- und Jugendärzten bezögen sich inzwischen auf Verhaltensstörungen, deren Behandlung deutlich mehr Zeit erfordere als die einer Lungenentzündung. „Unterversorgt trotz planerischer Überversorgung“ – das sei das traurige Ergebnis deutscher Gesundheitspolitik. Lang forderte unter anderem, den weiteren Abbau von Kinderarztpraxen zu stoppen, mehr Fördergelder für die Studentenausbildung in Kinderarztpraxen und mehr Studienplätze für Medizin bereitzustellen. So müsse nicht immer mehr Ärztenachwuchs mühsam aus dem Ausland akquiriert werden.

Mehrere zentrale Stellschrauben für eine gute Familienpolitik erkannte Veronika Ertl vom Evangelischen Kita-Verband: Kinderbetreuerinnen benötigten ein attraktives Arbeitsumfeld, eine vergütete Ausbildung, höhere Bezahlung und verlässlichere Arbeitsverträge. Auch größere Kontingente für Kita-Leitungsaufgaben, die unbefristete Beschäftigung von Qualitätsbegleitern sowie eine hochwertige Schulkindbetreuung müssten sichergestellt und der Hort als beziehungsstarker Ort für Kinder besonders gefördert werden.

Immer mehr wurde beim familienpolitischen Empfang klar: Die Staatsregierung ist sich der Dramatik noch immer nicht bewusst, die in den nächsten Jahren auf Bayerns Familienpolitik zukommt. Deshalb werden die FREIEN WÄHLER am Ball bleiben und sich für eine flächendeckende Verbesserung des Betreuungsangebotes im Freistaat einsetzen.


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