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12.08.2024

Statt Widerspruchslösung: FREIE WÄHLER-Fraktion fordert Erklärpflicht

Streibl: Organspende muss bewusste Entscheidung bleiben

München. In Deutschland warten etwa 8.500 Menschen auf ein Spenderorgan. Dem gegenüber standen im Jahr 2021 bundesweit 933 Menschen, die nach dem Tod ihre Organe für eine Entnahme zur Verfügung stellten, im Folgejahr waren es 869 Menschen. Das entspricht zirka 11 Organspendern pro einer Million Einwohner – viel zu wenige, um den Bedarf zu decken. Dabei stehen viele Menschen den Themen Organ- und Gewebespende grundsätzlich positiv gegenüber (laut einer BZgA-Repräsentativbefragung aus dem Jahr 2022 sind dies 84 Prozent der Befragten).

Die FREIE WÄHLER Landtagsfraktion sieht daher einen deutlichen Handlungsbedarf, um mehr Menschen für das Thema Organspende zu sensibilisieren und zu einer aktiven und bewussten Entscheidung für oder gegen eine Organspende zu bewegen.

Der Vorschlag des Bundesrats, mittels Widerspruchslösung eine Entscheidung für oder gegen eine Spende einzufordern, kann aus Sicht der Landtagsfraktion dabei nur eine vorübergehende Lösung sein, um übergangsweise zu kürzeren Wartezeiten für Organempfänger beizutragen. Langfristig braucht es eine gesetzliche Regelung, die die Freiwilligkeit der Spende besser sicherstellt. Die FREIE WÄHLER Landtagsfraktion hat deshalb einen eigenen Vorschlag zur künftigen rechtlichen Ausgestaltung über die Entscheidung für oder gegen eine Organspende erarbeitet (sogenannte „Erklärpflicht“):

Vorschlag der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion: Erklärpflicht

  • Aus praktischen, rechtlichen und ethischen Gründen präferiert die FREIE WÄHLER Landtagsfraktion eine Lösung, die die aktive Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende weiterhin zur Grundvoraussetzung macht.
  • Ziel ist, alle Bürgerinnen und Bürger bei einer einheitlichen Gelegenheit – zum Beispiel der Ausstellung eines Personalausweises – zur Abgabe einer Erklärung zu verpflichten, ob sie Organspender sein möchten oder nicht („Erklärpflicht“).
  • Eine solche Erklärpflicht eröffnet auch die Möglichkeit, differenziert über die Verfügbarmachung der jeweiligen Organe und Gewebe zu entscheiden.
  • Eine fundierte Information durch den Hausarzt oder auch einen anderen behandelnden Arzt ist als sachliche Grundlage für die Entscheidung für oder gegen eine Organspende wichtig. Das Honorar des Arztes für diese Beratung muss dabei der Bedeutung dieses Themas angemessen sein.
  • Zudem soll die Erklärung im Organspende-Register dokumentiert werden, um die Entscheidung für oder gegen eine Organspende im Krankenhaus auch bei Nichtvorliegen des Ausweises oder der elektronischen Gesundheitskarte berücksichtigen zu können.
  • Diese Lösung wahrt das Selbstbestimmungsrecht, die Würde des Menschen sowie die Integrität des Körpers.
  • Durch die Pflicht zur Entscheidung werden Angehörige in emotionalen Ausnahmesituationen entlastet, da der Wille des Verstorbenen dokumentiert ist.

Dazu der Vorsitzende der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion Florian Streibl:
„Eine Organ- oder Gewebespende muss immer freiwillig sein – das legt bereits der Begriff ‚Spende‘ nahe. Eine derart tiefgreifende Entscheidung in das individuelle Selbstbestimmungsrecht darf nicht durch einen Automatismus dahingehend ersetzt werden, dass Menschen nach festgestelltem Hirntod zum Organspender werden, auch wenn sie nicht ausdrücklich eingewilligt haben. Deshalb setzen wir uns für eine Pflicht zur Entscheidung für oder gegen eine Organspende ein – eine sogenannte ‚Erklärpflicht‘. Nur so kann ein angemessener und verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Rechtsgütern Leben und Selbstbestimmung gelingen.“

Dazu der Patienten- und Pflegebeauftragte der Bayerischen Staatsregierung und pflegepolitische Sprecher Thomas Zöller:
„Mir ist es ein Herzensanliegen, den Menschen vor Augen zu führen, dass sie alle potenzielle Lebensretter sein können. Deshalb bewerte ich die vom Bundesrat vorgeschlagene Widerspruchslösung als ersten Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Neuordnung der Gesetzeslage zur Organspende und als Diskussionsgrundlage, um die Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende in der Bevölkerung zu fördern. Allerdings muss am Ende dieses Weges die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger über ihren eigenen Körper über dem berechtigten Wunsch nach einer Steigerung der Organspender stehen – und das gelingt nur mit der Einführung einer ‚Erklärpflicht‘, wie wir sie fordern.“

Dazu die gesundheitspolitische Sprecherin Susann Enders:
„Die geplante Widerspruchslösung des Bundes ist praxisfern und hört sich nur theoretisch gut an. Wenn ein Patient oder eine Patientin keinen Organspendeausweis besitzt, ist es gelebte Praxis in den Kliniken und Notaufnahmen, nach deren festgestelltem Hirntod die Angehörigen um Erlaubnis für die Entnahme von Organen oder Gewebe zu bitten. Daran ändert auch die vom Bund vorgeschlagene Widerspruchslösung nichts. Deshalb wird die Widerspruchslösung nicht nur ihr Ziel, die Organspendezahl zu erhöhen, verfehlen – sie ist auch ethisch fragwürdig. Nichtäußern ist nicht gleich Zustimmung.“

Organspende in Deutschland – Überblick:

Aktuelle Rechtslage:

  • Am 1. März 2022 trat das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in Kraft, mit dem die Organspende neu geregelt wurde.
  • Ziel dieses Gesetzes ist,
    • die persönliche Entscheidung zur Organspende über ein bundesweites Online-Register zu registrieren,
    • verbindliche Information und bessere Aufklärung zu gewährleisten (u. a. Aushändigung von Aufklärungsmaterial und Organspendeausweisen in den Ausweisstellen von Bund und Ländern; Beratung durch Hausärzte)
    • und die regelmäßige Auseinandersetzung mit der Thematik zu fördern.
  • Voraussetzung für eine Organ- und Gewebeentnahme nach dem Tod ist die Einwilligung des Spenders zu Lebzeiten.
  • Wurde keine Erklärung abgegeben, werden die Angehörigen um Zustimmung gebeten.

Initiative des Bundesrats: Widerspruchslösung

  • Auf Initiative von acht Bundesländern fasste der Bundesrat am 15. Dezember 2023 eine Entschließung zur Einführung einer Widerspruchslösung.
  • Ein erneuter Vorstoß im Bundesrat erfolgte mit einem Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung bei Organspenden am 5. Juli 2024 im Bundesrat.
  • Bei der doppelten Widerspruchslösung ist jede Person Organ- oder Gewebespender, es sei denn, es liegt ein zu Lebzeiten erklärter Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille vor.
  • Alle Organe werden automatisiert zur Verfügung gestellt, so lange nicht ausdrücklich widersprochen wird.
  • Entscheidend ist der Wille des möglichen Spenders; dem nächsten Angehörigen steht kein eigenes Entscheidungsrecht zu. Aber wenn kein schriftlicher Widerspruch vorliegt, werden die Angehörigen gefragt, ob die Person zu Lebzeiten einen entgegenstehenden Willen geäußert hat.

 


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